Aulenbacher, Riegraf, Völker. Feministische Kapitalismuskritik
Die Hg. verantworten je einen Teil des Berichts zum Stand feministischer kapitalismuskritischer Forschung mit den Schwerpunkten auf Herrschaft (Aulenbacher), Gerechtigkeit (Riegraf) und Transformation (Völker). Schon das Ansinnen, diese Forschung als
»Einstiege« wie in einem Branchenverzeichnis vorzustellen und zu gewichten, was und
wie als »bedeutend« gelesen werden muss, ist fragwürdig. Ein erster Einspruch ist: Es
kann hier nicht um unbeteiligte Darstellung gehen, sondern es geht um Kämpfe, Streit,
historisch-kritische Begriffe und Deutungen. Die Autorinnen resümieren als das Wesentliche
der »Geschlechterforschung« (148) der vergangenen 50 Jahre: »Es handelt sich dabei
um im besten Sinne des Wortes streitbare Gesellschaftsanalysen, die den Kapitalismus in
seiner Verfasstheit, seiner institutionellen und normativen Gestalt sowie als Praxis erklären
und damit grundlegend zu seiner Kritik beitragen.« (152) Es wird versichert: »Wieder
neu entdeckt« werden »die Intersektionalitätsforschung, der Marxismus oder die Kontroverse
zwischen Feminismus und Marxismus« (154). Abschließend wird feministische
Kapitalismuskritik gezähmt: sie könne »keine überlegene Geltung« beanspruchen, sondern
sei »Teil der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kapitalismuskritik« (ebd.).
Im so gesetzten Rahmen liegen eine Begrenzung und eine Ausgrenzung des Spektrums
feministischer Kapitalismuskritik. Nur ausnahmsweise passiert eine der seit Jahrzehnten
tätigen marxistisch-feministischen Autorinnen den auswählenden Blick der Hg.. Und nur
so erklärt sich das Fehlen des Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus (HKWM)
und der (bisher) drei-bändigen Auswahl feministischer Begriffe mit ihrer Arbeit der
»Revolutionierung des Marxismus«, der Anstrengung, die »Entpatriarchalisierung der
Geschlechterverhältnisse mit dem sozialistischen Umbau der Produktionsverhältnisse zu
verschmelzen, also gleichsam eine Revolutionierung der Revolution« anzugehen (wie es
im HKWM Bd. 8/2, 2015 im Stichwort Marxismus-Feminismus heißt), in der 21-seitigen
Bibliographie und im Textkorpus des schmalen Bandes.
Im ersten Teil »Kapitalismus als Herrschaftszusammenhang« soll »die Unterordnung
des Lebens, in sozialer und ökologischer Hinsicht unter Belange kapitalistischen Wirtschaftens
sichtbar« (8) gemacht werden. Hier gebe es den Bezug zu Marx, zur »älteren
Kritischen Theorie«, zu Foucault. Das Referat wird auf wenigen Seiten sparsam gehalten,
nur Axeli Knapp und Cornelia Klinger werden skizziert und diese noch einmal verknappt
zur Aussage, dass die Rede vom Kapitalismus überhaupt problematisch sei, da sie »eine
Herrschaftslogik und ein Herrschaftsverhältnis, Kapitalismus und Kapitalverhältnis,
zum Namensgeber einer Gesellschaftsformation [mache], der aus historischen Gründen
weitere Herrschaftslogiken und -verhältnisse innewohnen« (15). Die Aussage scheint so
richtig wie falsch. Ein zweiter Einspruch gegen den Band ist, dass er im Namen historischer
Sorgfalt sprachlos macht. Wo es um Erkenntnis, ums Eingreifen, um Benennung
von Tendenzen, von Formen, von Verhältnissen geht, reden die Autorinnen umso pauschaler
von Moderne, von Eurozentrismus und »ethnizitätsbasierter« Herrschaft, die der
»Assoziationshof der Rede vom Kapitalismus nicht vermuten« lasse. Eine der »großen
feministischen Debatten, die Hausarbeitsdebatte der 1970er und 1980er Jahre« wird
erwähnt als »tiefgehende Revision der Marxschen Theorie« (18). Es wird behauptet, es
sei um einen Rückbezug auf das Frühwerk Deutsche Ideologie gegen das Spätwerk Kapital
gegangen (18f). Hier ist ein dritter Einwand zu formulieren: Die extrem verkürzende
Darstellung hat die Funktion einer Entnennung. Sie dient dazu, sich unter angeblicher
Thematisierung feministischer Marx-Rezeption dieser eben nicht zuzuwenden, sondern
den nächsten Sprung zu tun: zu Silvia Federici (2012). Diese fasst den Kapitalismus als
»Konterrevolution«, was ihr die sympathische Diagnose erlaubt, die eigentlich treibenden
Kräfte in der Geschichte seien die Unterdrückten und das Gemeinwesen. Sodann
wird fortgeschritten zu »Care und Care-Work« (9, 23ff), womit um »ein neues Verständnis
lebensdienlichen Wirtschaftens« gerungen werde.
Man erfährt von Aulenbacher, dass sie »schon« 2013 und 2014 ausgeführt habe, dass
kapitalistische Sorglosigkeit in Selbstgefährdung und Zerstörung der Ökologie und des
Sozialen und eben auch der Care-Krise ende, »wobei sich freilich ganz verschiedene
Thematisierungsweisen dieses Ursachenbündels ausmachen lassen« (32). Die Rezensentin
sieht sich daher vor der kleinlichen Aufgabe, auf Marx Diagnose im angeblich für Feministinnen
unwesentlichen Kapital zu verweisen. Marx endet das Kapitel über Maschinerie und
große Industrie mit den Worten: »Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die
Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktions prozesses, indem sie zugleich
die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.« (530) Die Vorgehensweise,
immer wieder Aussagen aus der Geschichte, die 2000 Jahre alt sind oder
wenigstens mehrere Jahrhunderte, plötzlich als gegenwärtige Entdeckungen vorzustellen,
führt dazu, feministischem Einspruch einen bedeutenden Neuigkeitswert zuzuschreiben,
wo er ihn nicht hat, und ihn dabei zugleich in seiner Berechtigung und umstürzenden Qualität
zu Fall zu bringen, da er, aus der Geschichte entwurzelt, beliebig wird.
Im Care-Kapitel erhält man viele Informationen über unterschiedliche Auffassungen
von Feministinnen, so dass der beklemmende Eindruck entsteht, es gebe dort nichts
Gemeinsames, lohne sich auch nicht zu streiten, da hier kaum ein erkenntnisreicher
Grund zu inden sei. Im Übrigen sind im Sprung zu Federici und Care fast unbemerkt 40
Jahre Streit um Arbeit und Werttheorie, Suche nach der Herkunft von Frauenunterdrückung,
ethnologische Forschung, Debatten um die Herausbildung weiblicher Subjekte
als Unterworfene, Abtreibung und reproduktive Rechte, Sexualität und Herrschaft, Familie,
Macht, Moral und Staat, um Denkverhältnisse und Erkenntniskritik, um Politik und
Bewegung übergangen. Und schon können Finanzökonomie, Ökofeminismus, Wachstums-
und Männlichkeitskritik aufgerufen werden. Ein vierter Einwand lautet also: Das
Meiste, was die erste und die zweite Frauenbewegung antrieb und in Zweifel zog, ist in
diesem »Einstieg« in »feministische Kapitalismuskritik« verschwunden.
Das eingegliederte Interview mit Ariel Salleh (47-53) lohnt die Lektüre. Sie erinnert, dass
im ökofeministischen Aktivismus nur der Name neu ist, er selbst aber eine lange Geschichte
in der Politik um Reproduktion, um Umwelt, gegen Wasservergiftung und Raubbau im
»globalen Süden« ebenso wie im »globalen Norden« habe. Befragt nach dem Verhältnis des
Ökofeminismus zu anderen sozialen Bewegungen fasst sie ihre eigene Arbeit zusammen
als Versuch, durch den Ökofeminismus (als Ein-Punkt-Bewegung) eine demokratische
Gemeinsamkeit von Bewegungen zu erreichen. Ihr Fazit: es fällt marxistischer Theorie
und Bewegung (der Linken) leichter, die Ökologiefrage einzubeziehen als die Frauenfrage.
»Ohne Zweifel wird unsere Revolution die letzte sein« (48). Selbst die Bewegung gegen
Wachstum sei noch geschlechtsblind (52). Ihre eigne politische Perspektive (embodied
materialism) kennt fünf Dimensionen: eine soziale Schuld an die Arbeitenden aus dem
Mehrwert; eine Körperschuld an die Frauen aus deren reproduktiven Tätigkeiten; eine
postkoloniale Schuld an die Bauern und Eingeborenen für die Bewahrung der natürlichen
Quellen; eine Generationsschuld an die Jugend für den Verlust an zukünftigem Lebensraum;
und »an ecological debt owed to the living organism of non-human nature« (ebd.).
Im zweiten Teil des Buches (über Gerechtigkeit) geht es um Theorien, welche die
Spannung von proklamierter Gleichheit und sozialer Ungleichheit erkunden. Hier ist ein
fünfter Einspruch anzumelden: Der gesellschaftliche Widerspruch wird verharmlost durch
die gewählte Sprache es handele sich um ein »Zusammenspiel«, »spannungsgeladen«
zwar, mit dem Ergebnis: »Damit rücken auch Fragen nach Sozialstaatlichkeit und der
Kapitalismus als Lebensentwurf mit ins Zentrum« (9). »Feministische Betrachtungsweisen
« verhandelten dies als »Frage sozialer Gerechtigkeit«. Zentraler Streitpunkt sei:
»Umverteilung vs. Anerkennung« (58ff), was eher »ökonomistisch« oder »kulturalistisch«
gesehen werde. Zentrale Begriffe seien »divergente Lebensformen«, »Pluralisierung der
Lebenslagen« (58) und »Verteilungsgerechtigkeit«. Die zahnlose Berichterstattung des
Teilkapitels lässt analytische Präzision, Prioritätensetzung und Positionierung vermissen.
Es legt nahe, dass diejenigen, die sich um Verteilung sammeln, den Zeitgeist verpassen,
denn nach Honneth sei »das Anerkennungsbedürfnis eine zen trale Triebkraft neuerer
politischer Bewegungen, wie der Queer-Bewegung, der Frauenbewegung, der Homosexuellenbewegung
oder auch der Occupy-Wall-Street-Bewegung« (60). Als Gegenposition
darf Nancy Fraser »den ökonomischen Aspekt«, insbesondere in Krisensituationen hervorheben,
um im Dialog mit Honneth beides, »Anerkennung und Umverteilung als zwei
unverzichtbare und miteinander verwobene Dimensionen gesellschaftlicher Gerechtigkeit
zu begreifen« (62). Eine Skizze zur Entwicklung des Wohlfahrtsstaates, seines Abbaus
und Theorien von Markt vs. Staat und die neuerliche Karriere des Leistungsdenkens und
seiner Verknüpfung mit Gerechtigkeitsvorstellungen gibt einen Eindruck, wie Theorien
und ihr gesellschaftlicher Kontext in Zeiten von Bologna in Nesform (Wort nach Blochs
Nesphilo sophie) an der Hochschule vermittelt werden (müssen?): »Der Intersektionalitätsdiskurs
bietet einen Ansatzpunkt für ein mehrdimensionales Konzept von Gesellschaftskritik,
indem sowohl das Prinzip der Anerkennung als auch die Dimension der
Umverteilung einließen, das heißt, mit dem auf ökonomischer Ungleichheit beruhende
Macht, Herrschaft und Unterdrückung und ein angemessener Umgang mit gesellschaftlicher
Vielfalt beziehungsweise Differenz Berücksichtigung inden können.« (68f) Die
gewählten Worte signalisieren Zurückhaltung, als meine man es nicht so genau und als
hinge wenig davon ab. In der Kürze ist ohnehin schon alles ausgespart, was die Bewegung
mit Leben erfüllte. Wieder fällt auf, dass eine bahnbrechende Analyse fehlt, mit der
feministisch zu Gleichheit/Ungleichheit und dem »Intersektionalitätstheorem« zu schreiben
wäre: Carole Pateman hat die Theorie des Patriarchats neu gefasst als »brüderliches
Patriarchat« (The Sexual Contract 1988, 3, 19ff, 221).
Aulenbacher u. Riegraf teilen als bedenkenswerte Neuigkeit mit, dass Arbeit und
Leben nicht mehr getrennt betrachtet werden können, weil in der Erwerbsarbeit »immer
auch Leben stattindet« und in der Freizeit auch gearbeitet werde (74). Die »Entgrenzung
von Arbeit und Leben« habe zur Folge, dass das »Doing Boundary zu einer Aufgabe
eigener Art« werde (76). Verwiesen wird auf ein Buch von 2014, sodass man annehmen
muss, es handle sich um eine Entwicklung, die jetzt erstmals theoretisch analysiert sei.
Geschichtsvergessenheit bleibt also der rote Faden des Bandes, möchte man einwenden
und zur Entgegnung ansetzen. Denn zahlreiche Debatten und Arbeiten aus den Zeiten des
Einzugs von High-Tech in die Arbeitswelt (1980ff) fallen unter den Tisch.
Eine andere Dynamik kommt in den stillgestellten Fluss des Berichts durch Susanne
Völkers Aufnahme »praxeologischer Perspektiven« im dritten Teil (über Transformation):
»Soziologie als soziale Praxis zu begreifen heißt nicht zuletzt, dass die Soziologie
Realität nicht beschreibt, sondern als ein mächtiger Akteur selbst (mit)hervorbringt«.
(80) Völker setzt ihren Anfang der Geschichte mit Bourdieu, dem sie einen »zweifachen Bruch« zudenkt, mit dem Subjektivismus ebenso wie mit dem Objektivismus, die er beide
der Verkennung überführe durch »Außensichtkonstruktion« (105) der Welt und damit
Außerachtlassen der eigenen Positioniertheit. Kurz, Völker interessiert an Bourdieu seine
Aufnahme der Heisenbergschen Unschärferelation, die sie sogleich in »Unbestimmtheit«
umzunennen vorschlägt. Praxis bezieht sie »nicht auf intentionales Handeln, sondern auf
das körperliche Agieren, auf das Abgestimmt-Sein mit der und Involviert-Sein in die Welt,
auf Resonanz und Dissonanz«, die Bourdieu als »körperliche Relexivität« fasse. Sie hebt
die mit dem Habituskonzept erfolgte Bereicherung für die Suche nach der Vermittlung
von Struktur und individuellem Handeln hervor, das anstelle des »Ableitungsdenkens«
trete, wie auch die Öffnung ins Mögliche, in ungelebte Wünsche und Begehren (108).
Der Bezug zur Körperlichkeit erweitere das Feld für die Ungleichheitsforschung um
Gesten und Mimik, »körperliche Wissensbestände, [
] die mit den Dingen und den
Gegebenheiten praktische Beziehungen eingehen und Relationen schaffen« (109). Praxis
sei symbolisch und »materiell, körperlich-stoflich«. Entsprechend sei praktische Logik
»hybrid« (110) unscharf, während es in der Wissenschaft um Wahrheitsproduktion, Eindeutigkeit,
Abgrenzung (ebd.) gehe. Unter Voraussetzung praktischer Logik, frage Soziologie
jetzt nach der Herstellung des Sozialen und seiner praktischen Reproduktion. In den
»klassiikatorischen Unschärfen« (»Unbestimmtheiten«) werde Herrschaft reproduziert.
Mit Bourdieu könnten auch die Strukturen als Prozesse begriffen werden ebenso wie
die »Akteur_innen« (ebd.). Völker führt Bourdieus praxeologisches Konzept weiter zu
Donna Haraways »materiell-semiotischen, bedeutungsgenerierenden Praktiken, situated
knowledges« (dessen Erscheinungsjahr auf Deutsch sie 11 Jahre zu spät angibt) und Karen
Barads »The world kicks back«, deren »methodologischen oder agenziellen Realismus«
sie zu folgen vorschlägt. »Es geht ihr darum, die anthropozentrische Position des originär
menschlichen Handelns zu verlassen und sich als relationales Phänomen neben anderen
relationalen Phänomenen zu begreifen, die ebenfalls handeln.« Dieser Realismus
heiße, »dass wir am Schaffen der Welt mitbeteiligt sind und insofern Verantwortung
haben« (117). Es gelte, sich als »intragierender Teil« einer sich permanent konigurierenden,
nicht abgeschlossenen Welt zu begreifen«. (120) »Karen Barad bezeichnet dies als
Ethico-onto-epistemo-logie, die die Verlechtung von Ethik, Erkenntnis und Sein ernst
nehme (121, vgl. kritisch dazu den Beitrag von W. F. Haug in diesem Heft). In diesem
Zusammenhang wird Judith Butler (2010) gelesen, an der die Autorin interessiert, dass sie
die Affekte ebenso als normiert begreift, wie zuvor schon die Konstruktion der Geschlechter,
wie also die Wahrnehmung von Welt ausschließend und hervorhebend normiert ist,
also selbst die Affekte, nicht etwas »eigenes« seien. Wieder gehen wesentliche kritische
und feministische Theoriebestände unter: Theorien der Gefühle, Kritische Psychologie,
die Erinnerungsarbeit. Diese Ungeschichtlichkeit führt Völker zu dem Schluss, bei Bourdieu,
Haraway, Barad, Butler u.a. würden die Fragen des Politischen »neu« gestellt. »Es
sind gleichermaßen methodologische, ethische und posthumanistisch bündnisorientierte
Fragen und sie haben das Potenzial, die Beschaffenheit, die Reichweite und im »besten
Fall die Beteiligung an dem Politischen zu erweitern« (125).
Die Ausführungen erzeugen Achtung und Verwirrung. Das führt zum sechsten
Einspruch: Sprache und Begriffe sind so gewählt, dass man das Gefühl hat, mit großer
Anstrengung auf Zehenspitzen zu balancieren und dabei zugleich in einem dieser
Spiegelkabinette zu sein, in dem man das Gewohnte verzerrt sieht. Weder Alltag noch
Transformation kommen damit unverstellt in den Blick. Schmerzlich vermisst man die
marxsche Erkenntnis, Menschen als Wesen anzunehmen, die im Stoffwechsel mit der
umgebenden Natur diese in Welt für sich verändern und sich dabei zugleich mit, zerstörend und konstruktiv. Sie können nicht anders vorgehen als die Natur selbst. Den
Vorgang zu begreifen heißt, die Dinge im Fluss der Bewegung fassen. Kein Wort von
Determination, Ableitung, Bestimmtheit.
Das gesamte Buch führt »Kapitalismuskritik« vor ohne die Kritik der politischen
Ökonomie, also ohne den großartigen Eingriff, den Marx in das Denken der politischen
Ökonomie brachte mit den historischen Folgen der Verbindung mit der Arbeiterbewegung,
deren Stärke und Begrenztheit. Aber auch Feminismus erscheint bloß als eine
Reihung von Themen und Texten ohne die einschneidende Auseinandersetzung mit
dem Marxismus, die nicht nur international über Jahrzehnte geführt wurde, sondern
die auch dem sozialistischen Feminismus sein politisches Gewicht gab, das eben heute
neue Aktualität und Kraft gewinnt. Marxismus wurde von Rosa Luxemburg lebendig
in praktischer Politik weitergeführt bis zu dem Punkt grundlegender Kritik, er wurde
von Antonio Gramsci in eine »Theorie der Praxis« weiter entwickelt und international
rezipiert. Kein Wort dazu im Teil über praxeologisches Denken, obwohl hier einer Reihe
von Männern das Wort gegeben wurde. Auch die praktische Konsequenz, wie sie in den
cultural studies aus Birmingham (Hall u. a.) weitergeführt wurde, fehlt. So kann auch das
»doing gender« als »neu« irmieren, obgleich schon 1983 von den Australierinnen Ann
Games und Rosemary Pringle in die Arbeitsforschung gebracht und u.a. in Studien des
Projekts Automation und Qualiikation weiter geführt.
Insgesamt übergeht dieses Buch zur feministischen Kapitalismuskritik deren Hauptpunkt
und treibt das Vergessen von Geschichte voran.
Frigga Haug (Los Quemados)
DAS ARGUMENT 315/2016
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