Matthias Lehnert in: A&K 525

Türkmen, Ceren: Migration und Regulierung

Mit dem Buch „Migration und Regulierung“ widmet sich Ceren Türkmen dem Zusammenhang von Ethnizität und Kultur vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse im Postfordismus. Die Autorin stellt zunächst unter Rückgriff vor allem auf Antonion Gramsci und Stuart Hall fest, dass Kultur nicht von der sonstigen gesellschaftlichen Realität zu trennen ist, sondern immer im Kontext von Macht- und Herrschaftsverhältnissen betrachtet werden muss. Die Differenz von Mehrheitskultur und anderen Kulturen ist somit zugleich als asymmetrische Beziehung zu begriefen. Der Begriff der Kultur wird entmystifiziert. Gegenstand ihrer Betrachtung ist die zunehmende Popularität von Filmen in Deutschland, die sich mit migrantischen Zusammenhängen beschäftigen. Anschauungsobjekte der Autorin sind unter anerem die Filme „Meine verrückte türkische Hochzeit“ aus dem Jahre 2005 und „Süperseks“ aus dem gleichen Jahr. In der öffentlichen Wahrnehmung wird die empostrebende Entwicklung von Filmen dieser Art nicht selten als Zeichen von Emanzipation und der zunehmenden Gleichberechtigung der Kulturen angesehen. Die kulturelle Praxis von MigrantInnen in der neuen Heimat wird zumeist unter dem Label „Hybridität“ hochgejubelt. Demgegenüber vertritt Türkmen die These, dass die neue Sichtbarkeit "fremder Kulturen" im Film oder anderen Medien keineswegs per Se als subversiver und emanzipatorischer Akt von MigrantInnen begriffen werden kann. Vielmehr muss man diese Entwicklungen vor dem Hintergrund hegemonialer Verschiebungen betrachten. Angesichts der veränderten Bedingungen im globalisierten Postfordismus präsentieren sich westliche Gesellschaften gern als multikulturell und tolerant, der reine Ausschluss migrantischer Identitäten ist nicht mehr artikulierbar. Dies führt Türkmen zufolge zu einer offenen „Kulturpolitik der Differenz“, die in erster Linie dazu dient, die „fremden Kulturen“ durch die Mehrheitskultur zu vereinnahmen und den globalisierten Marktgegebenheiten entsprechend zu verwerten. Dass indes diese Toleranz und die „Entgrenzung kultureller Identität“ nur suggeriert wird, verdeutlicht sich, wenn man sich auf der andere Seite die zunehmend verstärkte Exklusion von Menschen anhand ethnischer Kategorien vor Augen führt. Die Autorin versteht es, in nachvollziehbaren Gedankengängen den Begriff der Kultur zu entmystifizieren und in den Kontext gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse und hegemonialer Veränderungen zu setzen. Damit wird zugleich ein allzu oberflächlicher Multikulturalismus als kapitalistisches Vermarktungsinstrument entlarvt. Manch einer/einem sei die Lektüre vor allem dann empfohlen, wenn er/sie den nächsten Kinobesucht plant.

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