Widersprüche Heft 160

Die Einschluss-Gesellschaft?

Unbemerkte (Ein-)Schließungstendenzen von Gesellschaft

Das Einschließen von als unzuverlässig geltenden Personen dient auch aktuell mindestens zwei unterschiedlichen Zwecken: es gewährleistet den repressiv-disziplinierenden Zugriff auf die jeweiligen Insassen und produziert dergestalt, mittels Mauern und Zäunen, für den äußeren Betrachter, erst überhaupt die Existenz „abweichender“ sozialer Gruppen. Die Möglichkeiten einer angemessenen psychosozialen Unterstützung von solchen totalen Institutionen Betroffenen war und ist prekär bis unmöglich. Im Gegenteil: Die Erfahrungen mit Medikamentenexperimenten in deutschen Kinderheimen bis in die achtziger Jahre oder mit der Vergabe von Beruhigungsmitteln in Abschiebegefängnissen, aber auch die Aufgabe jeglicher diesbezüglicher professioneller Standards in der Betreuung von Personen in Ankerzentren und Flüchtlingsunterkünften machen deutlich, dass das Weg- und Einschließen von Menschen auch aktuell immer noch mit Prozessen der Dehumanisierung und Verdinglichung einhergehen.

Über die Widersprüche

Widersprüche: Zeitschrift fur sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich

Gesellschaft als „Diskurs der Wünsche” meint das Verfertigen des Sozialen im Prozess des sozialen Diskurses, nicht Unterwerfung unter vorgefertigte Normierungen.
(Niko Diemer, 1952 - 1992)


1981/82 gründeten Mitglieder der Arbeitsfelder Gesundheit, Sozialarbeit und Schule des Sozialistischen Büros die Zeitschrift Widersprüche. In dieser Zeit des grünen Aufbruchs und der radikalisierten konservativen Wende versuchten sie eine erste Standortbestimmung als Redaktionskollektiv: „Verteidigen, kritisieren, überwinden zugleich”. Unter dieser Programmatik wollten sie als Opposition dazu beitragen, die materiellen Errungenschaften des Bildungs- und Sozialbereichs zu verteidigen, dessen hegemoniale Funktion zu kritisieren und Konzepte zu ihrer Überwindung zu konkretisieren. Zur Überzeugung gelangt, dass eine alternative Sozialpolitik weder politisch noch theoretisch ausreichend für eine sozialistische Perspektive im Bildungs- und Sozialbereich ist, formulierten sie den ersten Versuch einer Alternative zur Sozialpolitik als Überlegungen zu einer „Politik des Sozialen”. An der Präzisierung dieses Begriffes, an seiner theoretischen und politischen Vertiefung arbeiteten sie, als die Frage nach der „Zukunft des Sozialismus nach dem Verschwinden des realen” 1989 auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Das Kenntlichmachen der „sozialen Marktwirtschaft” als modernisiertem Kapitalismus im Westen und Kapitalismus „pur” im Osten erleichtert zwar die Analyse, gibt aber immer noch keine Antwort auf die Frage nach den Subjekten und Akteuren einer Politik des Sozialen, nach Kooperationen und Assoziationen, in denen „die Bedingung der Freiheit des einzelnen die Bedingung der Freiheit aller ist” (Kommunistisches Manifest).
Wer in diesem Diskurs der Redaktion mitstreiten will, ist herzlich eingeladen.