Widersprüche Heft 168

Kritische Soziale Arbeit

Verteidigen, Kritisieren, Überwinden zugleich!

Seit über 30 Jahren schauen die Widersprüche aus der Perspektive „von unten“ auf alles, was gesellschaftlich vor sich geht. Während traditionelle Theorien der Sozialen Arbeit die institutionellen und professionellen Entwicklungen und deren Verbesserung im Blick haben, begegnen sie herrschenden Regulationsweisen (und ihren Institutionen) mit einer kritischen Haltung. Unter Kritik verstehen sie nicht nur eine Denk-Handlung, sondern, in Anlehnung an Max Horkheimer, jedes menschliche Handeln, "das Gesellschaft selbst zum Gegenstand hat".
Zu (gesellschafts)kritischem Handeln sind alle Menschen fähig. Das zeigt die Arbeit an Herrschaftsverhältnissen, die sie alltäglich zu leisten haben: ihre Arbeit an Zwang und Repression von integrierenden und ausschließenden Institutionen, ihre Arbeit an verdinglichenden Zumutungen. Dazu gehören auch die Arbeit an der Transformation „komfortabler Unfreiheit“ (Herbert Marcuse) und die Arbeit an Ideologieproduktion. Kritische Soziale Arbeit ist als „Arbeit im und am Sozialen“ (kollektives) Handeln, das durch radikale Kritik der Widersprüche einer herrschaftlich durchgesetzten Lebensweise dazu beiträgt, diese zu überwinden; indem sie jene Ansätze verteidigt, die ein „gutes Leben“ ermöglichen, damit Assoziationen Realität werden können, in der die freie Entwicklung jedes und jeder die Bedingung der freien Entfaltung aller ist.

Über die Widersprüche

Widersprüche: Zeitschrift fur sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich

Gesellschaft als „Diskurs der Wünsche” meint das Verfertigen des Sozialen im Prozess des sozialen Diskurses, nicht Unterwerfung unter vorgefertigte Normierungen.
(Niko Diemer, 1952 - 1992)


1981/82 gründeten Mitglieder der Arbeitsfelder Gesundheit, Sozialarbeit und Schule des Sozialistischen Büros die Zeitschrift Widersprüche. In dieser Zeit des grünen Aufbruchs und der radikalisierten konservativen Wende versuchten sie eine erste Standortbestimmung als Redaktionskollektiv: „Verteidigen, kritisieren, überwinden zugleich”. Unter dieser Programmatik wollten sie als Opposition dazu beitragen, die materiellen Errungenschaften des Bildungs- und Sozialbereichs zu verteidigen, dessen hegemoniale Funktion zu kritisieren und Konzepte zu ihrer Überwindung zu konkretisieren. Zur Überzeugung gelangt, dass eine alternative Sozialpolitik weder politisch noch theoretisch ausreichend für eine sozialistische Perspektive im Bildungs- und Sozialbereich ist, formulierten sie den ersten Versuch einer Alternative zur Sozialpolitik als Überlegungen zu einer „Politik des Sozialen”. An der Präzisierung dieses Begriffes, an seiner theoretischen und politischen Vertiefung arbeiteten sie, als die Frage nach der „Zukunft des Sozialismus nach dem Verschwinden des realen” 1989 auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Das Kenntlichmachen der „sozialen Marktwirtschaft” als modernisiertem Kapitalismus im Westen und Kapitalismus „pur” im Osten erleichtert zwar die Analyse, gibt aber immer noch keine Antwort auf die Frage nach den Subjekten und Akteuren einer Politik des Sozialen, nach Kooperationen und Assoziationen, in denen „die Bedingung der Freiheit des einzelnen die Bedingung der Freiheit aller ist” (Kommunistisches Manifest).
Wer in diesem Diskurs der Redaktion mitstreiten will, ist herzlich eingeladen.